Dipl.-Ing. Doris Paulus
Als ich im Juli 1999 die väterliche 10 Mann- Schreinerei abkaufte, sind einen Monat vorher die beiden Altgesellen ohne vorherige Ankündigung in den vorgezogenen Ruhestand gegangen.
Originalaussage: „Unter einer Frau arbeiten wir nicht.“
Der eine war Werkstattleiter und zuständig für die Einteilung der Mitarbeiter. Der andere war zuständig für das Lager bzw. die Beschaffung mit sämtlichen Kleinteilen wie Schrauben, Beschlägen, Schleifpapier, Lack, Filter für die Lackierpistole, Leim, Platten, Kanten usw.
Mein Vater war auch in Rente. Das bedeutete ich hatte einen 10 Mann Betrieb gekauftund die gesamte Organisation war in Rente.
Es herrschte Anarchie in der Werkstatt und ich rannte jeden Tag 3-4 mal in die Werkstatt, um nach dem Material zu schauen nach dem Motto:
„Ist das Material gekommen?
Wo ist es hingeräumt worden, wer hat es gesehen, ist es auf der Hobelbank, hat es der Andreas dabei im Auto oder hat es der Konstantin verräumt? Wo ist der Konstantin heute? Auf der Baustelle mit Markus? Ach, stimmt, in der Berufsschule! Können wir ihn dort anrufen? Nein? Der hat das Handy aus??? Mist! Fahr nochmal zum Greiner und kauf das Teil ein, damit zu zum Kunden kannst!“
Ich glaube, ich habe alles erlebt, was es in dem Bereich gibt.
Oder: Meine Mitarbeiter brauchten Material. Ich habe Sperrholzstücke, Spanplattenreste, Schleifpapier, Latten mit Materialanforderungen auf meinem Schreibtisch gefunden. Das waren die reinsten Verzweiflungstaten meiner Leute.
Ich arbeitete jeden Tag 14 – 16 Stunden, um das Tagesgeschäft zu bewältigen. Jeden Tag. Auch Samstag, auch Sonntag. Mein Leben war plötzlich die Hölle. Unerträglich.
Meine eigentliche Arbeit – Kunden und Aufträge gewinnen – habe ich nach Feierabend erledigt, nachdem meine Mannschaft nach Hause gegangen war. Kennen Sie das auch?! Es war eine einzige Katastrophe.
Mir war klar, dass ich im Burn- Out landen würde, wenn ich es nicht in schnellster Zeit schaffen würde, das Chaos in den Griff zu bekommen. Deshalb habe ich mich umgeschaut, was es für Systeme gibt, und habedann das von Toyota zum Kosten senken entwickelte „Kanban“ auf meine Schreinerei adaptiert. Nachdem es von Toyota entwickelt wurde, hat es Mercedes und Porsche eingeführt.
Die gesamte Automobilindustrie und alle Zulieferer arbeiten bis heute mit Kanban – im Handwerk ist es völlig unbekannt. Das kommt auch daher, dass alle Lieferanten die diverse Bestell- und Liefersysteme anbieten, kein Interesse haben, dass diese Methode im Handwerk bekannt wird. Denn dann würden Handwerksbetriebe effizienter und vielleicht auch im Einkauf den einen oder anderen Euro sparen.
Nachdem wir das Konzept im Januar 2000 in meiner eigenen Schreinerei umgesetzt hatten, habe ich es um fehlende Prozesse ergänzt zu einem Gesamtsystem. Ab sofort haben mir meine Gesellen alle Lieferfehler sofort berichtet, ich brauchte nicht mehr in die Werkstatt rennen. Wir haben eine Artikelliste ursprünglich in Excel erstellt, worin alle Nachbestellartikel hinterlegt waren, die nun meine Bürokraft bestellte. Aufgrund der Liste konnte sie Kundendienstrechnungen für das Unibauamt Erlangen plötzlich selbständig abrechnen usw. usf. Aus der Artikelliste druckten wir im Serienbriefverfahren die Kanbankarten aus die wir damals weggefaxt haben usw. Es gab noch viele Nebeneffekte, die mich entlastet haben. Natürlich gibt es heute eine intelligente Software, mit der alles erledigt wird.
Meine Arbeitszeit hatte sich schlagartig von 80 auf rund 50 Stunden reduziert, endlich ein erträgliches Maß. In der Nachkalkulation stellte ich fest, dass wir 25% Zeitverschwendung eingespart hatten, weil niemand mehr suchte. Also hat meine Schreinerei + 25% Umsatz bei gleicher Mitarbeiterzahl gemacht. Das war enorm!
Plötzlich hat meine Mitarbeiterin im Büro mir die Kleinrechnungen zur Durchsicht vorgelegt. Ich war total baff weil ich sie sonst immer vorschreiben musste. Als ich sie danach fragte, wieso sie das plötzlich kann meinte sie: „Wieso, jetzt ist das doch einfach! Das Material steht jetzt in der Artikelliste, so dass ich endlich meine Arbeit ohne Rückfragen machen kann.“
Als ich Februar 2002 in der Fachzeitschrift „dds“ (der deutsche schreiner) veröffentlichte, dass wir Kanban eingeführt haben, bekam ich Anfragen von Kollegen, ob ich sie beraten könnte. Damit hatte ich nicht gerechnet, weil ich dachte, die haben das Problem nicht, denn sie waren auf der Meisterschule und haben dort gelernt wie es geht und ich nicht, denn ich war nicht auf der Meisterschule. Ich dachte, nur ich weiß nicht wie das geht – alle anderen wüßten es schon.
Erst da habe ich verstanden, dass dieses Problem jeden Inhaber eines Handwerksbetriebs umtreibt, weil es NICHT an den Meisterschulen gelehrt wird. Ich hatte ein Problem gelöst, das alle haben, ohne es zu ahnen.
Die Folge war: 2002 beriet ich den ersten Handwerksbetrieb, 2003 beriet ich 5 Betriebe und war 30 Tage auswärts bei laufendem Betrieb und 2004 verkaufte ich die Schreinerei weiter, weil die Beratung immer mehr wurde.
2007 hat sich der erste SHK Betrieb angeschlichen. Ich war gerade im Schwäbischen als ich einen Anruf aus Erlangen, meiner Heimtstadt bekam. Es war Jürgen Pillipp. Ich kannte natürlich die Autos aus der Stadt. Im Telefonat erklärte ich ihm dann: „Sie wissen schon, dass wenn ich komme, dann komme ich aus Buckenhof!“ (3km). Er antwortete: „Wenn Sie kommen, dann wissen Sie schon, ich habe mit Ihrer Schwester Karin gemeinsam gelernt!“ Oh, dachte ich mir, da muss ich ja aufpassen, dass alles gut geht.
Das war dann auch so, bis auf meine Fotos. SHK hat ja anderes Material und eine andere Kultur. Und so bekam ich Mecker, als ich Stangenlager von Tischlern zeigte anstelle Rohrlager, weil ich noch keine Fotos hatte. Auch die Schraubenschachteln von Tischlerlieferanten gefielen nicht so gut wie die von SHK Lieferanten. Nach wenigen Betrieben legte sich das aber, denn nun hatte ich endlich einen guten Stamm an SHK Beispiel – Fotos aufgebaut.
Unsere Väter kannten sich übrigens von der Kreishandwerkerschaft Erlangen und Jürgen hatte einen Artikel in einem Handwerksblatt gelesen.
Je nach Branche haben die Betriebe eine andere Menge an Standardmaterial die bewirtschaftet wird. Tischler haben rund 1.200 Artikel, Dachdecker etwa 900 Artikel, SHK Betriebe ab ca. 3.000 Artikel, die sie benötigen, damit das Tagesgeschäft funktioniert. Deshalb haben wir heute rund 80% SHK Betriebe aller Größen als Kunden. Übrigens: Je breiter ein Artikelstamm ist, desto störungsfreier läuft der Betriebsablauf und desto höher ist die Lieferfähigkeit, denn jede Bestellung kostet innerbetrieblich rund 120€ und wenn das Material fehlt, sind die Ausfallkosten noch viel höher.
Irgendwann sagte dann ein Kunde in der Beratung: „Frau Paulus, das ist ein super Gesamtsystem! Sie sollten nicht einfach sagen, Sie machen Lageroptimierung, sondern Sie haben ein vollständiges Paulus-Lager System entwickelt!“
So kommt es, dass Sie heute „Paulus-Lager“ als Begriff für ein vollständiges System zur Bewirtschaftung der Materialien für Bauhandwerksbetriebe als Marke in den verschiedenen Medien finden.
Insgesamt haben wir in den letzten 25 Jahren zusammen mit meinem Experten- Team über 400 Materiallager im Bauhandwerk optimiert und über 8.000 Mitarbeiter geschult. Durch unsere solide und wertvolle Arbeit sparen unsere Kundenbetriebe jährlichüber 60 Mio Euro.
Wenn Sie sich die Mühe gemacht haben und sich die Zeit genommen haben, diesen Text bis hier unten zu lesen, stellt sich mir die Frage: Wann melden Sie sich bei mir und lösen Ihr Lagerproblem?